Crowdsourcing – Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt

Der aus der Digitalisierung und Globalisierung zunehmend verschärfende Wettbewerb in vielen Branchen hat dazu geführt, dass Unternehmen ihre Geschäftsprozesse effektiver und flexibler ausgestalten müssen. Dies hat zur Folge, dass Unternehmen ihre Ablauforganisation radikal ändern und ihre Systemgrenzen nach außen hin öffnen. Das aktive Einbeziehen von externen Akteuren in Leistungserstellungsprozesse, wie z. B. Kunden und Lieferanten, um so strategische Wettbewerbsvorteile erzielen zu können, ist immer häufiger in fast allen Branchen und Bereichen anzutreffen. Unternehmen wie Tchibo, RUF-Reisen oder auch namenhafte Autohersteller wie BMW und Fiat praktizieren Crowdsourcing schon seit vielen Jahren. Dabei spielen moderne Informations- und Kommunikationssysteme eine wichtige Rolle für eine unternehmensübergreifende Daten-, System- und Prozessintegration bzw. -orchestrierung. Der zunehmende Fortschritt ermöglicht schon heute eine zumeist asynchrone Zusammenarbeit räumlich und geografisch verteilter Akteure, wodurch insbesondere auch unternehmensinterne Prozesse und mit ihnen die bisherigen Formen der Arbeit maßgeblich beeinflusst werden. Die hierdurch entstehenden (globalen) Netzwerke, die räumliche und zeitliche Grenzen hinter sich lassen, verschaffen Unternehmen und Organisationen einen neuen Zugang zu Arbeitskräften und Ressourcen und bringen einen neuen Grad von Flexibilität hervor.

Doch welche Auswirkungen hat Crowdsourcing auf den Arbeitsmarkt? Ist Crowdsourcing das Mittel zur Bekämpfung des Fachkräftemangels? Welche negativen Aspekte bringt Crowdsourcing mit sich?

Wir stellen zwei Projekte vor und geben einen Ausblick, wie Crowdsourcing intelligent integriert werden kann.

Doch was ist Crowdsourcing überhaupt?

Der Begriff “Crowdsourcing” stellt eine Wortneuschöpfung dar, welche sich aus den Wörtern “Crowd” und “Outsourcing” zusammensetzt und geht auf Jeff Howe aus dem Jahr 2006 zurück, der den Trend wie folgt beschrieben hat:

“…smart companies in industries as disparate as pharmaceuticals and television discover ways to tap the latent of the crowd. The labor isn’t always free, but it costs a lot less than paying traditional employees. It’s not outsourcing; it’s Crowdsourcing”

Howe verstand Crowdsourcing als ein Konzept ausschließlich für Unternehmen.

Auch Brabham verbindet in seiner Definitionaus dem Jahr 2013 das Konzept des Crowdsourcings u.a. mit der Unternehmenswelt:

“Crowdsourcing ist ein produzierendes und problemlösendes Online-Model und kann in Bereichen wie Forschung, Wirtschaft und Regierung genutzt werden, um Aufgaben durch eine Online-Community erledigen zu lassen und somit weitere Menschen partizipieren lassen mit dem Ziel, dass alle Seiten Einfluss auf das Ergebnis haben”

Doch auch dieser Ansatz greift zu kurz, denn Beispiele für das Crowdsourcing-Prinzip lassen sich außerhalb von der Bereiche Forschung, Wirtschaft und Regierung finden. So wird bspw. Die heutige Online-Enzyklopädie Wikipedia als Musterbeispiel des Crowdsourcings gehandelt.

Crowdsourcing vs. Outsourcing – worin liegt der Unterschied?

Es ist erkennbar, dass es viele unterschiedliche Definitionsansätze für Crowdsourcing gibt. Jedoch zeigt sich bei allen Definitionen, dass es immer drei Hautpbestandteile gibt: den Auftraggeber, die Crowd und den Prozess.

Auftraggeber

Der Auftraggeber initiiert den Crowdsourcing-Prozess. Hierbei handelt es sich in aller Regel um ein Unternehmen, dass eine bestimmte unternehmensinterne Aufgabe zu lösen hat, welche mit eigenen Ressourcen nicht leistbar ist.

Crowd

Die Crowd wird als eine große Masse an Menschen definiert. Hierbei kann es sich um Internetnutzer handeln, aber auch Kunden, Konsumenten oder eine Online Community.

Prozess

Im Hinblick auf den Prozess wird in der Literatur Bezug auf die Durchführung von Crowdsourcing-Projekten und damit auch auf die Art des Aufrufs genommen.

Hinsichtlich Letzterem unterscheidet Whitla (2009) zwischen einem komplett offenen Aufruf – bei dem jede beliebige Person Teil der Crowd sein kann – und einem eingeschränkt offenen Aufruf – bei dem eine bestimmte Gemeinschaft zur Teilnahme aufgerufen wird.

Basierend auf den vorangegegangenen Ausführungen lässt sich Crowdsourcing für uns wie folgt in einer Arbeitsdefinition beschreiben:

Crowdsourcing ist eine neue Form der Arbeitsorganisation, welche die Systemgrenzen von Unternehmen/ Organisationen meist gewollt und oft im definierten und kontrollierten Maße (z.B. Übertragung einer spezifischen Aufgabe) nach Außen hin öffnet. Hierbei werden Externe (Crowd: Kunden, Experten, Geschäftspartner) internetbasiert beteiligt und treiben die Wertschöpfung des Unternehmens an durch Einsparmöglichkeiten, Innovationsförderung und Nutzung von breitem Wissen. Dabei profitiert die Crowd beispielsweise durch Gewinn an Einfluss und Erweiterung des eigenen Horizonts.

Auswirkungen / Vor- und Nachteile von Crowdsourcing

Der moderne Ansatz des Crowdsourcing definiert die Arbeit an sich in vielen Punkten neu. Crowdsourcing als digitales Arbeitsmodell stößt jedoch nicht nur auf Begeisterung, sondern auch auf Kritik, die sich meist auf die Auswirkungen des Crowdsourcing-Prinzips auf den Erhalt und die Ausgestaltung von Arbeitsplätzen bezieht. Doch bevor wir uns der Kehrseite widmen, schauen wir, welche Vorteile Crowdsourcing für Auftraggeber und Auftragnehmer, in diesem Fall die Crowd Worker, bringt.

Welche Vorteile bietet Crowdsourcing?

Aus Auftraggebersicht

Besonders positiv für den Auftraggeber ist die kostengünstige und unkomplizierte Auslagerung von Aufgaben. Die Vorteile ergeben sich gerade in den “kreativen” Bereichen, wo das Unternehmen aus seiner Corporate-Kultur ausbrechen kann und völlig neue Denkanstöße für Probleme erhält. Der Vorteil einer Crowd: Das Unternehmen kann sich die Heterogenität der Masse und, dass keine festgefahrenen Denkmuster vorhanden sind, zu Nutze machen.
Damit einhergehend können sich die Unternehmen vielmehr auf ihre Kernaufgaben und Kompetenzen konzentrieren und Randaufgaben auslagern. Das erhöht die Produktivität und fördert den Wachstum des Unternehmens.
Der Vorteil der “Masse” ist nicht nur der enorme Wissens- und Kompetenzpool, worauf ein Unternehmen Zugriff hat. Durch das Mitwirken von potenziellen “Kunden” bei der Innovationsentwicklung wird die Marktakzeptanz der Produkte zeitgleich erhöht. Die Crowd entwickelt die Produkte aus Sicht des Kunden und platziert ihre Bedürfnisse. Die Gefahr Produkte am Markt vorbei zu produzieren sinkt erheblich.
Was für den Auftragnehmer ein Nachteil ist, ist für das Unternehmen ein Vorteil: Durch die zumeist geringe Entlohnung ergeben sich Kosteneinsparpotenziale. Es existieren auch Fälle im Rahmen des Crowdsourcing, bei denen unentgeltlich Aufgaben durchgeführt werden, sozusagen aus “Spaß an der Freude”. Beispiel hierfür wäre die MyStarbucksidea-Community. Die Zerlegung in kleine Teilaufgaben wirkt sich nicht nur positiv auf den Kostenfaktor aus. Aufgaben können zudem schneller abgewickelt werden. Der große Pool an Ressourcen in der Crowd ermöglicht es Aufgaben zu parallelisieren und entsprechend schnell zu lösen. Das Prinzip der Arbeitsteilung führt zur Reduktion der Zeiten und somit auch zur Kostensenkung.

Aus Auftragnehmersicht

Aus Sicht des Auftragnehmers, den Crowd Worker, fällt positiv auf, dass jedermann (unabhängig von Geschlecht, Religionszugehörigkeit, Alter und Ausbildung) Tätigkeiten gegen Bezahlung finden kann. Meist können die Aufgaben ortsunabhägig ausgeübt werden bzw. sind nicht an bestimmte Nationalitäten oder Wohnorte gebunden. So haben auch Personen aus Regionen mit stark begrenzten Arbeitsmöglichkeiten, die Chance am Erwerbsleben teilzunehmen.
Ein weiterer Vorteil des Crowdsourcing ist, dass der Crowd Worker die Möglichkeit hat, seine Arbeitszeit frei einzuteilen. Er ist insofern sein eigener Chef und kann selbst bestimmen, wann und wie viel er arbeitet. Für einige Personengruppen ist dies eine notwendige Voraussetzung, um überhaupt berufstätig zu werden: Studenten, die neben dem Studium Geld dazuverdienen möchten: Pendler, die Fahrzeiten im ÖPNV lukrativ nutzen möchten oder Eltern mit Betreuungsaufgaben.
Aber auch Menschen mit eingeschränkter Mobilität können so tätig werden und bspw. Vom heimischen Computer aus ihre Arbeit erledigen.
Ein weiterer Vorteil ist die Abwechslung. Nicht nur die freie Einteilung der Zeit, sondern auch selbst zu bestimmen, welche Aufgabe man bearbeitet, ist von essentieller Bedeutung. So können Jobs von verschiedenen Unternehmen aus unterschiedlichsten Branchen angenommen werden.

Welche Nachteile ergeben sich durch Crowdsourcing?

Aus Auftraggebersicht

Beim Auslagern von Aufgaben müssen Unternehmen darauf achten, dass Aufgaben aus bestimmten Bereichen – wie z.B. aus dem Personalwesen, der Rechtsabteilung oder dort, wo Geschäftsinterna tangiert werden – nicht an die Masse abgegeben werden. Dies würde gesetzliche Anforderungen oder das Unternehmensinteresse verletzen.
Auch die Qualtitätssicherung ist in vielerlei Hinsicht ein Problem. So können Arbeiten nicht zur vollen Zufriedenheit des Auftraggebers ausgeführt werden. Hier sind nur schwer die gleichen Maßstände anwendbar, wie in der klassischen Arbeitswelt. Es besteht die Gefahr, dass der Auftraggeber nicht das gewünschte Ergebnis erhält. Ein klassisches Beispiel ist die Aktion “Mein Pril – Mein Stil”, bei der am Ende die Crowd für das lustigste Design gevotet hat. So war “Pril mit Hähnchengeschmack” auf den vordersten Plätzen. Als “limitierte Design-Edition” konnte diese nicht in den Handel mit der Kosequenz, dass das Unternehmen das Voting manipuliert. Sehr zum Ärgernis der Crowd.
Es zeigt sich, Unternehmen haben die Notwendigkeit Aufgaben und Projekte extrem präzise zu formulieren, bevor diese an die Crowd ausgelagert werden.

Aus Auftragnehmersicht

So ortsunabhägig die Arbeit für den Crowd Worker ist, muss für seine Arbeit eine entsprechende Internetverbindung vorhanden sein (was jedoch gerade in Entwicklungsländern oft nicht gegeben ist).
Um die wenigen, gut bezahlten Aufträge zu erhalten, muss der Crowd Worker ständig online sein.
Die in der breiten Masse schlechte Bezahlung von Aufgaben ist auch ein wichtiges Thema. Sowie auch der fehlende Schutz der Auftragnehmer, z.B. in Bezug auf Mindestlohn und Sozialversicherung. Die Flexibilität birgt somit auch Risiken für den Crowd Worker selbst. So ist dieser nicht angestellt, sondern selbstständig. Dies bedeutet, dass die Vorzüge sozialer Absicherung wie Rentenversicherung, Lohnfortzahlung bei Krankheit oder Mindestlohn, die das deutsche Arbeitsrecht dem Arbeitnehmer garantieren, nicht greifen. Auf den Crowdsourcing- Wettbewerbsplattformen wird wiederum nur ein Bruchteil der Teilnehmer (nämlich die Gewinner) bezahlt, was für Personen, die auf ein geregeltes Einkommen angewiesen sind, nicht attraktiv ist. Hier zeigt sich, dass der Personenkreis, der an solchen Wettbewerben teilnimmt, in gewisser Weise einer Selektion unterzogen ist. Personen, die finanziell abgesichert sind und nur eine Freizeitbeschäftigung suchen, werden durch Crowdsourcing insbesondere angesprochen.
Nichtsdestotrotz schlagen vor allem die Gewerkschaften wie ver.di Alarm und befürchten den Verlust von Arbeitsplätzen durch die Auslagerung von Unternehmensaufgaben. Die Kritik: Es werden qualifizierte Mitarbeiter ausgenutzt, um an den eigenen sparen zu können. Bei diesem Konzept profitieren in erster Linie die billigen Arbeitskräfte und im internationalen Netz ist die ganze Welt als Konkurrenz mit dabei.

Crowdsourcing – die gesunde Mischung macht’s

Das Modell Crowdsourcing ist auf einem gutem Weg, den Arbeitsmarkt zur revolutionieren. Beide Seiten – Arbeitgeber und Arbeitnehmer – können von den immensen Vorteilen und ganz neuen Chancen profitieren. Flexibilität, eine schnelle Erreichbarkeit sowie eine hohe Reichweite bei der Expertensuche sind dabei die schlagenden Argumente. Ein Lösungsansatz für den Fachkräftemangel scheint gefunden zu sein. Aber Achtung! Fairness sollte auch auf dem Arbeitsmarkt 2.0 ein elementarer Bestandteil in der Beziehung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber sein. Ein unterzeichneter Code of Conduct gibt Aufschluss über die Seriosität des Teams hinter einer Plattform. 

Schauen wir uns mal zwei Beispiele aus der Praxis an, wie Crowdsourcing funktioniert. Wir stellen Euch ein nationales und internationales Projekt vor.

Praxisbeispiel: McDonald’s – “Burger Battle”

Der Fastfoodriese McDonald’s hat 2015 die Crowdsourcing-Aktion “Burger Battle” ins Leben gerufen, wo User (die Crowd” mit einem Online-Konfigurator ihren eigenen Burger kreieren konnten. Die Kampange war mit einer der wichtigen für das Unternehmen und sollte dem Unternehmen auch eine Frischzellenkur verpassen. Eine clevere Idee von McDonald’s denn sie ließen ihre Kunden bzw. Die Zielgruppe bei wichtigen Entscheidungen mitwirken. Zeitgleich brachten die Kunden ihr Wissen und ihre gestalterischen Fähigkeiten mit ein. McDonald’s stärkt so die Nähe zu Kunden.

“Mein Burger – made by Germany”

Unter dem Motto “Mein Burger – made by Germany” traten die 16 deutschen Bundesländer gegeneinander an. Jedes Land wurde dabei zu einer eigenen Community, die gebündelt ihre Burger-Kreation ins Rennen schickt. Aus diesen 16 wurden anschließend vier Burger ausgewählt, die McDonald’s in zwei Phasen bundesweit in seinen Filialen verkaufte.

Ein Gesamtsieger wurde erst an Ende gekürt. Gäste der McDonald’s-Restaurants konnten ihre Stimme bzw. Ihren Vote über einen QR-Code auf der entsprechenden Produktverpackung abgeben.

Social Media als Multiplikator

McDonald’s trommelte Online und Mobile für sein “Burger Battle” – unter anderem mit Bannern und Social Media wie bspw. Facebook. Die Mediaplanung verantwortete Heye OMD.

Die Crowdsourcing-Aktion von McDonnald’s zählte zu den Erfolgskampagnen der Fastfood-Kette. Bis zu 330.000 verschiedene Burger-Vorschläge wurden laut dem Unternehmen im Rahmen der Kampange eingereicht und knapp 5 Millionen Mal stimmten die Nutzer für ihren Favoriten ab.

Praxisbeispiel: Foldit – “Puzzlen für die Wissenschaft”

Ein interessantes Beispiel eines globalen Crowdsourcing-Projektes ist aus der Wissenschaft im Bereich Molekularbiologie und Medizin: Foldit mobilisiert Leute dazu Proteine zu falten. Das funktioniert über ein Video-Spiel zu Proteinfaltung. Letztendlich ist das ein Puzzle-Spiel zur Lösungsfindung für wissenschaftliche Probleme.

Wie funktioniert das?

Unter dem Slogan “Solve Puzzles for Science” können hundertausende Interessierte einen Beitrag zur Wissenschaft leisten, indem sie spielerisch verschiedenste Möglichkeiten einer Proteinfaltung ausprobieren.

Wieso das Ganze?

Proteine ermöglichen uns so einiges in unseren Körpern. Ohne Proteine können die Organe, die einzelnen Zellen, nicht arbeiten. Von Muskelzelle bis zur Gehirnzelle: Proteine sind in etliche Prozesse involviert. Sie können unterschiedlichste Aufgaben erfüllen und sind sich dennoch alle sehr ähnlich: Proteine bestehen aus Aminosäureketten. Einzelne Aminosäuren sind über Peptidbindungen miteinander verknüpft und bilden Polymere. Von den Molekülen, den Aminosäuren, gibt es 20 verschiedene, wobei die Grundstruktur immer gleich ist, sie sich aber durch die sogenannten Seitenketten unterscheiden. Die jeweilige Seitenkette nimmt Einfluss auf die Form des Proteins aufgrund ihrer chemisch-physikalischen Eigenschaften. Die Zusammensetzung der Aminosäuren und die resultierende Form des Proteins wiederum bestimmt die Funktion.

Nun ist es so, dass das Wissen über die Proteinstruktur hilfreich oder essentiell ist um Krankheiten zu verstehen und Möglichkeiten zur Behandlung zu erarbeiten. Foldit, sowie Kelly und Maddalena (2015) schildern dabei einleuchtend welche Herausforderungen bestehen: Die Informationen über Aminosäuren-Reihenfolge genügen nicht ohne weiteres für eine simple Computer-basierte Vorhersage der Proteinfaltung. Es gibt etliche Möglichkeiten wie sich die Proteinketten falten können aufgrund der vielen Freiheitsgrade. Computerprogramme können durchaus viele dieser Möglichkeiten durchspielen. Aber aufgrund der Vielfalt an Möglichkeiten ist eine rein Computer-basierte Herangehensweise mit einem hohen Ressourcenverbrauch verbunden. Zudem kann menschliche Intuition und Lösungsfindung, kombiniert mit spielerischem Wettbewerb zu den bestmöglichsten potentiellen Strukturen führen. Die Ergebnisse daraus wiederum können für einen Feinschliff dann wieder computerbasierten Analysen zugeführt werden. Diese Kombination hat sich bisher als sehr effizient herausgestellt und viele wissenschaftliche Publikationen basieren dabei auf Foldit.

Wer steckt dahinter?

Foldit ist ein kollaboratives Projekt der University of Washington, “Center for Game Science” und “Institute for Protein Design” sowie weiteren Universitäten (Northeastern University, Vanderbilt University, University of California, Davis und University of Massachusetts, Darthmouth. Das Projekt erhält viel Support unter anderem auch von Adobe und Microsoft.

Das Spiel

Neulinge finden auf der Internetseite von Foldit das Programm zum Herunterladen, ein Forum und FAQ, um in die Thematik und Anwendung einzusteigen. Das Puzzle-Spiel selbst kann mit mehreren “Intro Puzzles” zum Kennenlernen der Funktionen und Herangehensweisen begonnen werden, bevor der Anwender zu den echten Herausforderungen übergeht, den “Science Puzzles”.

Damit das alles nicht schnell trocken und langweilig wird und um einen Aufbau und Erhalt der Community zu fördern, beinhaltet das Spiel auch “Contests” und “Achievements”, wobei die Wettbewerbe von der Community erstellt werden und nicht vom Herausgeber.

Letztendlich ist dieses Spiel sicherlich hauptsächlich etwas für wissenschaftlich Interessierte wie Curtis (2015) aus einer Vielzahl an wisschenschaftlichen Publikationen zusammengestellt und auch selbst untersucht hat. Die Zivilgesellschaft in wissenschaftliche Arbeit einzubeziehen bedarf Motiviation. Diese wird gefördert durch eine starke soziale Community, in der der Einstieg einfacher wird durch Angebote der Unterstützung und mit der ein reger Austausch über Strategien für einzelne Puzzles herrscht. Wettbewerbsmöglichkeiten spornen ebenfalls an dranzubleiben. Und die intellektuelle Herausforderung, sowie die Chance einen Beitrag für die Welt der Wissenschaft leisten zu können, ist für die interressierte Community ein intrinsischer Motivationsfaktor um überhaupt erst mitzumachen.

Crowdsourcing hat eine Menge Potenzial!

Es locken sicherlich die Einsparmöglichkeiten durch weniger internes Personal, welches nicht auf bestimmte Aufgaben gesetzt werden muss. Diese Ressourcen können anders verteilt werden. Damit kann die eigene Forschungs- und Entwicklungsabteilung entweder klein gehalten werden oder gezielt auf bestimmte Projekte gesetzt werden. Auch Zeitersparnis kann ein Vorteil sein (kürzere Zeit bis ein neues Produkt auf den Markt kommt).

Ein großer Vorteil ist aber auch die immense Innovationskraft durch Kunden oder Produkt-/Firmenfremde: Innovationsmöglichkeiten (viele neue Ideen und Kundenwünsche können angezapft werden. Die firmeninterne Betriebsblindheit und Lösungsfindungsschwierigkeiten können so umgangen werden und eine große Anzahl an externen Mitmenschen können an Unternehmensprojekten partizipieren. Die Crowd kann ganz neue Ideen bringen oder ermöglichen es dem Projektherausgeber Trends zu erkennen.

Nicht nur die Organisation profitiert.

Auch die Crowd kann durch Crowdsourcing-Projekte gewinnen. Monetär sicherlich nur geringfügig (z.B. durch Preise, Beteiligung) bis gar nicht (z.B. Foreneinträge, Rezensionen, konkrete Produktrückmeldungen oder -vorschläge). Aber so erhalten Kunden selbst Einfluss auf die Produkte, was wiederum auch ein Vorteil für das Unternehmen aufgrund der Kundenbindung ist. Diese Form der Einbindung kann auch den eigenen Horizont erweitern und dient damit der persönlichen Weiterentwicklung.

Dennoch gilt: Fairness sollte auch auf dem Arbeitsmarkt 2.0 ein elementarer Bestandteil in der Beziehung zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber sein. Ein unterzeichneter Code of Conduct gibt Aufschluss über die Seriösität des Teams hinter einer Plattform.

Carsten Böhme

Wirtschaftsingenieur, M.Sc.

Carsten Böhme arbeitet seit 2015 als Referent im Öffentlichen Dienst und leitet u.a. Projekte rund um das Thema “Digitalisierung”.

Neben Familie, Freunde und Sport interessiert sich Carsten für Persönlichkeitsentwicklung und Immobilien. Seine Vorlieben sind gutes Essen, lange Spaziergänge in der Natur oder einfach an der Elbe die Seele baumeln lassen.

Patrizia Frosch

Biologin, B.Sc.

Patrizia Frosch arbeitet in der operativen Qualitätssicherung für die IDT Biologika GmbH (Auftragsentwicklung und Auftragsfertigung von Virusimpfstoffen, viralen Vektoren und Biologika).

Neben Beruf, Freunden und Hobbies ist sie an persönlicher Weiterentwicklung interessiert mit lebenslangem Lernen als eine Einstellung.

Quellenangaben

Brabham, D. C. (2013). Using Crowdsourcing In Government. IBM Center for The Business of Government. Verfügbar unter: http://www.businessofgovernment.org/sites/default/files/Using%20Crowdsourcing%20In%20Government.pdf

Curtis, V (2015). Motivation to Participate in an Online Citizen Science Game: A Study of Foldit. Science Communication. Verfügbar unter: https://doi.org/10.1177/1075547015609322

Foldit. Solve Puzzles for Science. Verfügbar unter: http://fold.it/

Gabler Wirtschaftslexikon. Crowdsourcing. Verfügbar unter: https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/crowdsourcing-51787

Howe, J. (2006). Crowdsourcing: A Definition. Verfügbar unter: https://crowdsourcing.typepad.com/cs/2006/06/crowdsourcing_a.html

Kelly, A. R.; Maddalena, K (2015). Harnessing Agency for Efficacy: “Foldit” and Citizen Science. Poroi, Volume 11. Verfügbar unter: http://dx.doi.org/10.13008/2151-2957.1184

Leimeister, J. M., Zogaj, S. (2013). Neue Arbeitsorganisation durch Crowdsourcing: Eine Literaturstudie, Arbeitspapier, No. 287, Hans-Böckler-Stiftung, Düsseldorf. Verfügbar unter: https://www.econstor.eu/bitstream/10419/116744/1/hbs_arbp_287.pdf

Papsdorf, C. (2009). Wie Surfen zu Arbeit wird. Crowdsourcing im Web 2.0. Frankfurt a. M., New York: Campus Verlag.

Stumpp, S. (2019). Management des Crowdsourcing-Prozesses in der Organisation. Baden-Baden: Nomos Verlag. doi: 10.5771/9783845299266

Whitla, P. (2009). Crowdsourcing and Its Application in Marketing Activities. Contemporary Management Research, 5(1). https://doi.org/10.7903/cmr.1145

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